Alien-Invasoren in Real Life: Neobiota

Stellt euch vor, eine fremde Lebensform aus einer anderen Welt taucht plötzlich in eurer Heimat auf. Diese Lebensform verdrängt euch und andere Einheimische. Sie erobert euren Lebensraum und dessen Ressourcen. Stellt euch vor, die fremde Lebensform tut das mithilfe scheinbar übernatürlicher Kräfte und Fähigkeiten, wie Ihr sie in eurer Heimat zuvor noch nie gesehen habt. Was für uns Menschen wie eine Alien-Invasion aus einem mittelmäßigen Science-Fiction-Film klingt, ist für viele Tier- und Pflanzenarten weltweit Realität, wenn invasive sogenannte Neobiota vom Menschen in ihren Lebensraum eingeschleppt werden.

Neobiota, die Aliens der Biologie, sind jene Arten, die in einem Gebiet durch den Menschen absichtlich oder unabsichtlich eingeführt werden, wo sie vorher nicht vorkamen [1]. Nicht alle Neobiota schaden der Umwelt oder dem Menschen, aber die, die es tun, nennt man invasive Arten [1]. Die Transportmittel, bzw. „Raumschiffe“, mit denen die alienhaften Neobiota in neue Regionen gelangen, sind vielfältig. Samen, Insekten oder kleine Tiere können in Containern auf Frachtschiffen mitreisen, aquatische Arten werden oft durch das Ballastwasser jener Schiffe weltweit verteilt [2]. Insekten und andere Kleintiere können in Flugzeuginnenräume gelangen und so weite Strecken zurücklegen [3]. Neben diesen unabsichtlichen Transporten, die größtenteils als Nebeneffekt des Welthandels auftreten, fand die Einschleppung invasiver Arten durch den Menschen in der Vergangenheit (und teilweise noch heute) oft auch beabsichtigt statt. Beispielsweise wurde in der Vergangenheit zur Bekämpfung von Zuckerrohrschädlingen die Agakröte in Australien, Jamaika, Hawaii und andernorts eingeführt, wo sie dann unvorhergesehene ökologische Schäden anrichtete [4]. In Australien setzte man im Jahr 1859 Kaninchen zur Jagd aus. Sie breiteten sich dann allerdings so rasant aus und fügten der Landwirtschaft solche Schäden zu, dass man einen 3.000 Kilometer langen Zaun bauen musste, um sie einzudämmen [5]. Sogar der niedliche Waschbär ist in Europa eine invasive Art. In den 1920ern importierte man ihn nämlich aus Nordamerika zur Pelzzucht, von wo einige Individuen dann entkamen [6].

Nicht so harmlos wie er scheint: Der von der EU als invasive Art eingestufte Waschbär [7]
[7] https://www.youtube.com/watch?v=kF9YDebB4Bc

Problematik und Zukunftsausblick

Die negativen Auswirkungen invasiver Arten sind vielfältig. Oft können heimische Arten nicht mit den Neuankömmlingen konkurrieren und werden verdrängt oder sterben gar aus. Empfindliche Ökosysteme können aus dem Gleichgewicht geraten. Genau wie Aliens in Filmen mit Laserkanonen und Energieschilden ausgestattet sind, haben auch viele Neobiota ihre eigenen „Wunderwaffen“, gegen die die heimischen Arten machtlos sind. So produziert die in Australien eingeschleppte Agakröte hochgiftige Bufotoxine, gegen die kein australischer Prädator resistent ist. Das hat zu bis zu 90-prozentigen Bestandseinbrüchen heimischer Waran- und Schlangenarten sowie zur unkontrollierten Ausbreitung der Agakröte und Verdrängung heimischer Forschlurche geführt [4]. Die „Wunderwaffe“ des in Europa eingeschleppten amerikanischen Flusskrebses besteht im doppelten Sinne in „biologischer Kriegsführung“. Er überträgt die Krebspest, gegen die er selbst resistent ist, und rottet so heimische Konkurrenten aus [8]. Nicht nur das ökologische Gleichgewicht, sondern auch der Mensch leidet unter invasiven Arten. So übertragen aufgrund menschenverursachter Klimaveränderungen in neue Regionen einwandernde Vektoren wie die asiatische Tigermücke gefährliche Krankheiten [9]. Arten wie die bereits erwähnten in Australien eingeschleppten Wildkaninchen können große landwirtschaftliche Schäden verursachen [5]. Nicht zuletzt sind die hohen Kosten zu erwähnen, die die Eindämmung der Ausbreitung invasiver Arten verlangt.

In den letzten Jahrzehnten stieg die Menge an Forschung zum Thema invasive Arten immer weiter [10]. Das hilft, die ökologischen Zusammenhänge besser zu verstehen und öffnet die Türen für innovative Methoden, beispielsweise aus der Gentechnik, zur Bekämpfung schädlicher Neobiota.

Das Vorrücken invasiver Arten mag an unaufhaltsame Invasionen aus Alienfilmen erinnern. Allerdings können wir das Drehbuch noch ändern, indem wir gute Forschung und Innovation vorantreiben, in Früherkennung und Überwachung investieren und das generelle Bewusstsein für das Thema sowie bedachtes Handeln in der Bevölkerung fördern.

Quellen

[1] https://neobiota.bfn.de/grundlagen/neobiota-und-invasive-arten.html, abgerufen am 09.01.2025

[2] Ingo Kowarik (2010): Biologische Invasionen. Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa., S. 78

[3] nytimes.com (08.02.2017): Downside of Being a Global Hub: Invasive Species

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Aga-Kr%C3%B6te, abgerufen am 09.01.2025

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Wildkaninchen, abgerufen am 09.01.2025

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Waschb%C3%A4ren, abgerufen am 09.01.2025

[7] https://www.youtube.com/watch?v=kF9YDebB4Bc (2020)

[8] Oidtmann, Hoffmann (1998): Die Krebspest

[9] Andreas Frey (2018): Die Invasion der Tigermücken, https://www.spektrum.de/news/die-invasion-der-tigermuecken/1590692

[10] Jing Hua Chiu et al. (2023): Trends in the direction of global plant invasion biology research over the past two decades

Nikolai Überhoff

Nikolai Überhoff ist (Stand 2025) Biologiestudent an der Uni Hamburg und hat im freien Wahlbereich das Seminar Anthropogene Unfälle in der Physik besucht.

Dieser Beitrag wurde redaktionell überarbeitet von Andrea Thorn und Florian Mischke.

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