Rückverfolgung von Kontaminationen

Beim Austreten von Gefahrenstoffen ist ein schnelles Handeln entscheidend. Natürlich gibt es aber einen Unterschied zwischen Umweltbelastungen durch eine moderne Gesellschaft, wie zum Beispiel Nitrat von Landwirtschaft, Mikroplastik aus Medizin- und Kosmetikprodukten etc., und Schadstoffen wie PFAS, radioaktiven Stoffen oder Erdöl. Also eine Unterscheidung zwischen kleinen Einspeisungen, die sich zu einem Problem summieren, aber oft von der Gesellschaft toleriert werden, und einzelnen Ereignissen, die große Mengen an Schadstoffen aus einer Quelle freisetzen, dieses oft unbeabsichtigt. Im Folgendem werden wir uns auf Zweiteres konzentrieren.

Struktur in Deutschland

In Deutschland ist für den Umgang mit CBRN (Chemisch, Biologisch, Radioaktiv, Nuklear)-Ausbrüchen das Bundesamt für Bevölkerungs und Katastrophenschutz (BBK) zuständig.

Hierfür stellt das BBK 518 CBRN-Erkundungswagen (CBRN Erkw) an die Lände. Diese können dann schnell reagieren und vor Ort mit moderner Technik Messungen durchführen, siehe Bild rechts. Im Fall einer komplizierten Lage, die einer schnellen Reaktion bedarft, besitzt das BBK die Analytik Task Force CBRN (ATF CBRN), sie ist über 5 Standorte aufgeteilt [1].
Es gibt allerdings keine zentrale Stelle für die Rückverfolgung, da das BBK nur zum Schutz der Zivilbevölkerung berufen ist, beziehungsweise für Erstversorgung und Prävention größerer Schäden. Eine dauerhafte Behandlung fällt auf Länder/Kreis/Bezirksebene, je nach lokaler Gesetzeslage [6].

CBRN Erkundungswagen des BBK
Direkt Aufsicht, zu sehen ist der Laderaum eines Transporters mit Einem Tisch auf dem ein Bildschirm und mehrerer Messgeräte stehen

Bildquelle:[a]

Laderaum eines CBRN-Erkundungswagens des BBK mit einem Tisch, auf dem ein Bildschirm und mehrere Messgeräte stehen. Quelle: BBK

Isotopenanalyse

Isotope sind Unterkategorien von chemischen Elementen. Sie unterscheiden sich in ihrer Kernmasse voneinander, verhalten sich aber chemisch fast identisch zueinander. Viele Isotope sind nicht stabil und zerfallen nach einer gewissen Zeit.

Zusammensetzung des Stoffes

Wir können uns die isotopische Zusammensetzung einer Kontamination ansehen und somit mehrere Rückschlüsse auf unseren Stoff schließen.
So haben zum Beispiel die meisten anthropogenen Kohlenstoffverbindungen einen geringen Anteil an Kohlenstoff 13, da dieses Isotop in seiner Zeit in der Erde zerfällt, und der meiste menschliche Kohlenstoff aus der Erde kommt. Demgegenüber haben natürliche Kohlenstoffverbindungen einen höheren Anteil an Kohlenstoff 13 [2].

Zusammensetzung der Umgebung

Neben der Kontamination selber gibt es auch eine Menge nützlicher Informationen in der isotopischen Zusammensetzung des kontaminierten Mediums.
So hat zum Beispiel fließendes Wasser oft einen ‚Fingerabdruck‘, der durch die Mineralien (und damit Isotope), durch die dieses seit seinem Ursprung geflossen ist, entsteht. Dies kann ein wichtiges Indiz sein um den Weg eines Stoffes rückwerts zu gehen [2].

Computer Modelle

Kontaminationen bewegen sich mit der Umwelt. Sie werden oft von Strömungen in Flüssen, Meeren, oder Winden bewegt. Diese Systeme sind komplex und können nicht analytisch gelöst werden. Hier bieten sich große statistisch motivierte Computermodelle an, um numerisch eine Antwort zu finden [3].

Backwards Trajectory/ HYSPLIT

HYSPLIT steht für HYbrid Single-Particle Lagrangian
Integrated Trajectory und wurde von NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) entwickelt.
Die Idee hierbei ist aus meterologischen Daten ein Vektorfeld zu erstellen. Unsere Kontamination wird dann von diesem Vektorfeld bewegt. Wenn wir also im Fall von luftgetragenen Emissionen unseren Wind kennen, können wir den Weg unseres Stoffes berrechnen. Das Ergebniss einer solchen Simulation ist dann oft eine Grafik wie die Rechte, bei dieser handelt es sich um eine Rückverfolgung in verschiedenen Lufthöhen, die bunten Fäden repräsentieren den Weg den ein simuliertes Teilchen zurückgelegt hat. Dieser Ansatz funktioniert sowohl für Vorhersagen, als auch für Rückverfolgungen [5].

Visualisierung einer HYSPLIT-Backwardstrajektory-Simulation.
Zu sehen sind vier Karten des nahen Osten, Süd-Ost Asiens, Afrikas und Europa. über ihnen befinden sich bunte Bänder die den Simulierten Weg von Partikeln darstellen
Bildquelle: [b]

Visualisierung einer HYSPLIT-Backwardstrajektory-Simulation.
Zu sehen sind vier Karten des nahen Osten, Süd-Ost Asiens, Afrikas und Europa. über ihnen befinden sich bunte Bänder die den Simulierten Weg von Partikeln darstellen. Quelle: Tropospheric ozone maxima observed over the Arabian Sea during the pre-monsoon. Lizenz: Creative Commons 3

Machine Learning

Machine Learning (ML)-Algorithmen sind in der Lage, Rückschlüsse aus großen, untereinander nicht linear korrelierten Datensätzen zu gewinnen. Insbesondere Wetterdaten, aber auch andere im Bereich Source Tracing [bitte erklären] relevante Daten fallen in diese Kategorie. Daher werden inzwischen immer mehr ML-Algorithmen in der Rückverfolgung benutzt und liefern hierbei die meisten Aufschlüsse, benötigen aber außerordentlich viele Daten [3].

Einordnung und Fazit

CBRN-Stoffe als immer präsente Gefahr sind ein neueres Phänomen, das mit der Industrialisierung aufgetreten ist. Sie sind eine Konsequenz unseres Fortschrittes. Dennoch werden in demselben Fortschritt immer neue Techniken entwickelt, um sich diesem Problem zu stellen.
CBRN Erkws haben sehr fortschrittliche Messgeräte, HYSPLIT gab es schon in den 80er Jahren, was für eine Computersimulation mit diesen Ansprüchen relativ früh ist, Machine Learning Algorithmen sind heute ein Bereich, in dem viel Fortschritt in relativ kurzer Zeit entsteht. Der Kampf gegen CBRN-Kontaminationen ist also oft mit modernster Technik gegen ein modernes Problem geführt.

Quellen:

[1] BBK Website, letzter Aufruf 10.12.2024:
https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/CBRN-Schutz/CBRN-Faehigkeiten/cbrn-faehigkeiten_node.html

[2| Tirumalesh Keesari (2024). Tracing the footprints of contaminants in water environment through the application of stable isotopic systematics, Current Opinion in Environmental Science & Health, Volume 40: https://doi.org/10.1016/j.coesh.2024.100559.

[3] Kiruthika Mohan, Vignesh Rajkumar Lakshmanan(2023). A critical review of the recent trends in source tracing of microplastics in the environment. Environmental Research, Volume 239, Part 2: https://doi.org/10.1016/j.envres.2023.117394.

[4] Wang, Zhao, Wang, Zhang(2022). Backward Trajectory and Multifractal Analysis of Air Pollution in Zhengzhou Region of China. Mathematical Problems in Engineering: https://doi.org/10.1155/2022/2226565

[5] Draxler, Roland & Hess, G.. (1998). An overview of the HYSPLIT_4 modeling system for trajectories, dispersion, and deposition. Australian Meteorological Magazine. 47. S 295-308: https://www.researchgate.net/publication/235961417_An_overview_of_the_HYSPLIT_4_modeling_system_for_trajectories_dispersion_and_deposition

[6] E-Mail Korrespondenz mit der Info-Stelle des BBKs

Bildquellen:

[a] BBK Website, letzter Aufruf 10.12.2024:
https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/CBRN-Schutz/CBRN-Faehigkeiten/Mess-Nachweistechnik/mess-nachweistechnik_node.html

[b] Jia, Jia & Ladstätter-Weißenmayer, Annette & Hou, Xuewei & Rozanov, Alexei & Burrows, John. (2016). Tropospheric ozone maxima observed over the Arabian Sea during the pre-monsoon. Atmospheric Chemistry and Physics Discussions. 1-26. 10.5194/acp-2016-786. url: https://www.semanticscholar.org/paper/Tropospheric-ozone-maxima-observed-over-the-Arabian-Jia-Ladst%C3%A4tter-Weissenmayer/e3d1bc6e070616f85aeb71b35848b554d818192d

Smier Brandt

Smier Brandt studiert seit Herbst 2022 Physik an der Uni Hamburg. Neben mehreren Pflichtmodulen hat dey auch die Module High Performance Computing und Parallelisierung sowie AI in physics besucht.

Dieser Beitrag wurde redaktionell überarbeitet von Andrea Thorn und Florian Mischke.

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