Schiffshavarien gehören zu den größten Umweltkatastrophen, die durch menschliches Versagen verursacht werden können. Sie hinterlassen oft bleibende Schäden an sensiblen Ökosystemen und führen uns die Zerbrechlichkeit unserer Umwelt vor Augen. Einer der tragischsten Vorfälle dieser Art ist der Exxon Valdez Unfall, der die Welt wachrüttelte, und die öffentliche Debatte über Umweltschutz, Unternehmensverantwortung und die Gefahren fossiler Energien neu entfachte.

Bild der Exxon Valdez 1989. Quelle: Wikimedia Commons
Die Exxon Valdez, ein 300 Meter langer Öltanker der Exxon Corporation, befand sich auf dem Weg von Valdez, Alaska, zu einer Ölraffinerie in Long Beach, Kalifornien. Um Treibeis des Columbia-Gletschers zu umfahren, musste der Tanker vom regulären Kurs abweichen. Kapitän Joseph Hazelwood, der Berichten zufolge alkoholisiert war, überließ das Steuer dem unerfahrenen dritten Offizier. Zusätzlich war der einwandige Rumpf des Schiffes zu dünn, um größeren Kollisionen standzuhalten. Diese Kombination aus menschlichem Versagen und unzureichender Technik führte dazu, dass die Exxon Valdez am 24. März 1989 auf das Bligh-Riff auflief, wodurch 41 Millionen Liter Rohöl ins Meer gelangten, was eine der schwerwiegendsten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten verursachten [[Boa90; Uni89]].
Eine unzureichende Reaktion auf die Katastrophe
Die Reaktion auf die Katastrophe machte gravierende Lücken in der Notfallbereitschaft deutlich. Die für die Bekämpfung von Ölkatastrophen zuständige Alyeska Pipeline Service Company wurde für Verzögerungen bei den Gegenmaßnahmen später scharf kritisiert. Ursachen für die Verzögerungen waren mangelnde Vorbereitung und fehlende Ausrüstung. Einsatzboote, die mit speziellen Reinigungsgeräten ausgestattet sein sollten, waren leer; dringend benötigte Mittel zur Ölbekämpfung, sogenannte Dispersionsmittel, waren vor Ort nicht verfügbar. Dispersionsmittel hätten das Öl im Wasser aufgelöst und dessen Verbreitung verringern können. Wichtige Geräte mussten von weit entfernten Standorten beschafft werden, was die Eindämmung erheblich verzögerte [[Boa90; Uni89]]. So konnte sich das Öl unkontrolliert ausbreiten und schädigte rund 2.100 Kilometer der alaskischen Küste massiv.
Langzeitfolgen für Ökosystem und Tierwelt
Die Auswirkungen der Ölpest auf das lokale Ökosystem und die Tierwelt waren verheerend [[Boa90; Pet+03]]. Die Populationen des Pazifischen Herings, einer Schlüsselspezies im Nahrungsnetz, erlitten große Verluste, was auch die örtliche Fischerei schwer traf. Studien zeigen, dass selbst Jahrzehnte später Ölreste in einigen Küstenbereichen vorhanden sind, welche nach wie vor Küsten- und Meeresbewohner beeinträchtigen [[Pet+03; RC08]].
Fragwürdige Säuberungsmethoden: Corexit und heißes Wasser
Die eingesetzten Reinigungsmethoden, einschließlich des chemischen Dispersionsmittels Corexit, bleiben bis heute umstritten. Zwar können Dispersionsmittel Ölfilme auflösen, doch Studien weisen darauf hin, dass sie die Toxizität des Öls erhöhen und so das Ökosystem zusätzlich belasten. Auch der Einsatz von Hochdruck-Heißwasser-Behandlungen führte zu Schäden an den Küstenlebensräumen [[MJM10; BMR10].

Reinigungsarbeiten nach der Exxon Valdez Ölkatastrophe.
Quelle: Encyclopædia Britannica. Exxon Valdez oil spill: cleanup

Öl auf den Steinen der Küste 25 Jahre nach der Exxon Valdez-Katastrophe.
Quelle: Santa Barbara University of California. Exxon Valdez 25 Years Later.
Auslöser für politische Reformen
Die Exxon Valdez-Katastrophe war ein entscheidender Auslöser für politische Reformen. 1990 verabschiedete der US-Kongress den Oil Pollution Act, der strengere Sicherheits- und Notfallmaßnahmen vorschreibt, einschließlich der Pflicht für Doppelhüllen bei Öltankern. Exxon wurde zwar finanziell zur Verantwortung gezogen, aber einige der Strafen wurden später reduziert. Die Katastrophe bleibt ein mahnendes Beispiel für Fahrlässigkeit im Umgang mit natürlichen Ressourcen [[NOA; Nat90]], verdeutlicht die Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken und einer strikten Überwachung.
Regulierung als Wettbewerbsvorteil: Exxons Erfolg nach der Ölkatastrophe
Die strengen Anforderungen des Oil Pollution Acts (OPA), wie etwa die Verpflichtung zu doppelwandigen Tankern, und umfangreichen Umweltauflagen, haben im Nachgang der Katastrophe vorallem kleinere Unternehmen vom Markt gedrängt. Der OPA forderte von Unternehmen den Nachweis finanzieller Verantwortung (Certificate of Financial Responsibility, COFR). Viele kleinere Anbieter konnten das nicht leisten. Exxon hingegen überlebte nicht nur, sondern wuchs, indem es Marktanteile von den schwächeren Wettbewerbern übernahm [LLP18, Sum21], so dass die Katastrophe dem Konzern ironischerweise vielleicht sogar mehr genutzt als geschadet hat.
Quellen:
[BMR10] Adriana C. Bejarano, Jacqueline Michel, and Luanne D. Rowe. “Dispersants and Oil Spill Cleanup: Lessons from the Exxon Valdez and the Gulf of Mexico”. In: Marine Pollution Bulletin 60.2 (2010), pp. 207–219. url: https://www.nytimes.com/2013/12/09/booming/lessons-from-the-exxon-valdez-oil-spill.html
[Boa90] National Transportation Safety Board. Grounding of the U.S. tankship Exxon Valdez on Bligh Reef, Prince William Sound near Valdez, Alaska, March 24, 1989. Marine Accident Report No. MAR-90-04. 1990. url: https://www.ntsb.gov/investigations/AccidentReports/Reports/MAR9004.pdf
[MJM10] H. M. D. Morgan, P. R. T. Johnson, and R. M. M. McKinney. “Ecotoxicological Effects of Dispersant on Herring Eggs and Larvae Exposed to Crude Oil”. In: Environmental Toxicology and Chemistry 29.8 (2010), pp. 1850–1856. url: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20821553/
[Nat90] National Oceanic and Atmospheric Administration. Oil Pollution Act of 1990 (OPA). Accessed: 2024-11-06. 1990. url: https://response.restoration.noaa.gov/oil-pollution-act-1990-30-years-spill-response-and-restoration
[NOA] NOAA. The Oil Pollution Act of 1990. Zugriff am: 28. Oktober 2024. url: https://response.restoration.noaa.gov/oil-pollution-act-1990-30-years-spill-response-and-restoration
[Pet+03] C. H. Peterson et al. “Long-term ecosystem response to the Exxon Valdez oil spill”. In: Science 302.5653 (2003), pp. 2082–2086. doi: 10.1126/science.1084282. url: https://ppgo.furg.br/images/Tese_Final_Caroline_Monteiro.pdf
[RC08] Stanley D. Rice and Mark G. Carls. “Exxon Valdez Oil Spill: Long-Term Effects on Herring and Ecosystems”. In: Environmental Toxicology and Chemistry 27.11 (2008), pp. 2067–2078.
[Uni89] United States Coast Guard. Report of the U.S. Coast Guard on the Exxon Valdez Oil Spill. Tech. rep. Accessed: 2024-11-06. Washington, D.C.: United States Coast Guard, url: https://www.osti.gov/biblio/6686614
[Cal14] Santa Barbara University of California. Exxon Valdez 25 Years Later. Accessed: 2024- 10-28. 2014. url: https://news.ucsb.edu/2014/014393/exxon-valdez-25-years-later
[Enc24] Encyclopædia Britannica. Exxon Valdez oil spill: cleanup. Accessed: 28. Oktober 2024. of Dispersant on Herring Eggs and Larvae Exposed to Crude Oil”. In: Environmental Toxicology and Chemistry 29.8 (2010), pp. 1850–1856. url: https://www.britannica.com/event/Exxon-Valdez-oil-spill
[LLP18] Blank Rome LLP. “The Legacy of the Oil Pollution Act of 1990”. In: (2018). Letzter Zugriff: 7. Dezember 2024. url: https://www.blankrome.com/publications/legacy-oil-pollution-act-1990
[Sum21] David H. Sump. “The Oil Pollution Act of 1990: A Glance in the Rearview Mirror”. In: Tulane Law Review (2021). Letzter Zugriff: 7. Dezember 2024. url: https://www.tulanelawreview.org/pub/volume85/issue4/the-oil-pollution-act-of-1990

Björn Kirchhoff
Physik Masterstudent der Universität Hamburg
Ich habe meinen Bachelor in Physik mit einem Fokus auf biomedizinische Physik absolviert und meine Abschlussarbeit in einer entsprechenden Forschungsgruppe geschrieben. Derzeit studiere ich im Master Physik an der Universität Hamburg und interessiere mich besonders für interdisziplinäre Ansätze in der Physik.
Dieser Beitrag wurde redaktionell überarbeitet von Andrea Thorn und Florian Mischke.