Sonnenstürme sind beeindruckende Naturphänomene: Die Sonne setzt Energie und Teilchen frei, die das Magnetfeld der Erde durcheinanderbringen und wunderschöne Polarlichter erzeugen. Gleichzeitig bergen sie Gefahren für Satelliten, Stromnetze, und Telekommunikation. Um diese richtig einschätzen zu können, muss zunächst das Phänomen selbst verstanden werden.

Seitlicher Blick auf einen Plasmabogen, der durch die bewegten Magnetfeldlinien nach außen gewölbt wird.
© NASA’s Scientific Visualization Studio – KBR Wyle Services, LLC/Scott Wiessinger, Public domain, via Wikimedia Commons
Entstehung
Das heiße Gas und das Magnetfeld der Sonne sind in ständiger Bewegung. Bündel von Magnetfeldlinien wölben sich aus der Photosphäre nach außen und wirbeln Bögen von Plasma bis in die Korona [1]. Dabei kommt es zu sogenannten Flares, eruptiven Strahlungsausbrüche im gesamten Elektromagnetischen Spektrum, die innerhalb von 8 Minuten die Erde erreichen. Wenn sich Magnetfeldlinien überschneiden, wird durch plötzliche Rekonnexion eine Plasmawolke aus geladenen Teilchen abgestoßen, die nach 1-2 Tagen bei der Erde eintrifft [4]. Diese wird als koronaler Massenauswurf bzw. CME (Coronal Mass Ejection) bezeichnet [2,3] und kann Massen bis zu 10 Billionen Kilogramm erreichen [5]. Stetig sendet die Sonne geladene Teilchen und Strahlung aus, den sogenannten Sonnenwind, der etwa eine Stunde benötigt, um die Strecke zur Erde zurückzulegen [6]. Diese Effekte führen zu Störungen der Magnetosphäre von Planeten, was als Sonnensturm oder geomagnetischer Sturm bezeichnet wird [7].
Effekte
Die Erde wird durch ihr Magnetfeld von den Teilchen des Sonnenwindes abgeschirmt. Nur an den Polen treffen diese ungehindert auf die Atmosphäre und werden dort als Polarlichter sichtbar. Erreicht eine durch eine CME verursachte Plasmawolke die Erde, führt das zu starken Schwankungen des Magnetfeldes. Sind die Felder von CME und Erde entgegengesetzt, kommt es zur Rekonnexion, wodurch das Magnetfeld der Erde aufgebogen wird. Das hat zum einen zur Folge, dass das Magnetfeld geschwächt wird und zum anderen, dass die Cusps, die Trichter in den Magnetfeldlinien, an denen die Sonnenwinde eintreten, sich von den Polen in Richtung Äquator verschieben. Dadurch werden Polarlichter in größerer Entfernung zu den Polen sichtbar [7]. Die Auswirkungen eines Sonnensturms fallen in drei Kategorien [8]:
- Radiostörungen: Hochenergetische Elektromagnetische Strahlung (vor allem UV- und Röntgen-Strahlung) ionisiert die obere Atmosphäre und stört den Funkverkehr
- Strahlungseffekte: Strahlung erreicht die Erde, ist aber vor allem für ungeschützte Astronauten gefährlich [9]
- Geomagnetische Effekte: CME trifft auf Magnetosphäre und verursacht elektromagnetische Feldschwankungen

Bild: © Tim Howard 2014, Springer Copyright and Permissions Policy, via Tim Howard. Space Weather and Coronal Mass Ejections. New York: Springer; 2014. https://doi.org/10.1007/978-1-4614-7975-8 [7]
Schaden
Sonnenstürme können Elektronik stören und beschädigen, was zu Ausfällen in der Navigation und Telekomunikation führt. Zum Beispiel beim Funk von Interkontinentalflügen, wenn GPS-Signale [9,10] oder bestimmte Funkverbindungen in der Ionosphäre gestört werden [10]. In Leitungen können durch den Magnetsturm außerdem Ströme induziert werden, was zu Schäden an Transformatoren und Stromausfällen führen kann. Dabei sind höhere Breitengrade stärker betroffen, bei stärkeren Stürmen aber auch zunehmend die mittleren, so wie beim Carrington-Ereignis am 1. und 2. September 1859 anhand der Polarlichter sichtbar war [10]. Damals wurden die Cusps durch das Magnetfeld der CMEs so weit Richtung Äquator verschoben, dass Polarlichter bis zum 23. Breitengrad sichtbar waren, also auch in tropischen Gegenden wie Kuba, Jamaika oder Hawaii [11]. In Leitungen wurden so starke Ströme induziert, dass Funkenschlag und Feuer im Telegrafennetz erzeugt wurden [5]
Sonst hielten sich die Schäden beim Carrington-Ereignis aber noch in Grenzen, da die Gesellschaft 1859 noch nicht so große technische Abhängigkeiten hatte. Aber es gab danach, zu Zeiten größeren technischen Fortschritts, immer wieder Stürme, die beträchtlicheren Schaden angerichtet haben. Schon bei einem deutlich schwächeren Ereignis 1989 kam es zu einer Störung in einer Generatorstation in Québec, wodurch etwa 6 Mio. Menschen für 9 Stunden keinen Strom hatten. Insgesamt führte dieser Sturm zu Schäden in Höhe von 400 bis 600 Millionen US-Dollar. 2005 kam es durch einen weiteren geomagnetischen Sturm für 10 Minuten zu einer weltweiten Störung des GPS-Netzes, aber auch dieser Sturm war bedeutend schwächer, als das Carrington-Ereignis [5].
Die Einschätzungen zum Ausmaß potenzieller Schäden gehen aber stark auseinander. So werden in den USA z.B. 1-2 Billionen USD für ein „severe geomagnetic storm scenario“ geschätzt [12], Deutsche Übertragungsnetzbetreiber [13] und die U.K. Royal Academy of Engineering [10] sehen dagegen keine signifikante Gefahr auch bei starken Stürmen.
Maßnahmen zur Vorbereitung
Um sich auf Sonnenstürme vorbereiten zu können, muss zunächst das Weltraumwetter vorhergesagt werden können, also hier vor allem wann der Sturm eintrifft, aber auch wie stark er wird und ob die CMEs sich in einer Richtung ausbreiten, bei der die Erde getroffen wird. Aktuell ist eine Warnung ca. 1-3 Tage im Vorhinein möglich [15], die ESA möchte aber 2031 die Sonde Vigil zum Lagrange-Punkt L5 schicken, um durch den anderen Blickwinkel genauere Messungen bezüglich Richtung und Geschwindigkeit von CMEs durchführen zu können [16]. Die Chance für einen weiteren Sonnensturm mit den Ausmaßen des Carrington-Ereignisses wird für die nächsten 10 Jahre auf 12% geschätzt [10].
Abgesehen von Vorhersagen müssen die Stromnetze vor den Auswirkungen von Sonnenstürmen geschützt werden. Dafür wird in Leitungen und an Transformatoren ein Gleichstromschutz eingesetzt, der verhindern soll, dass kritische Werte überschritten werden und so Schaden entsteht [17,18]. Zudem soll das Netz besser überwacht werden und für den Ernstfall ein Betriebsverfahren vorbereitet werden [17].
Auf kleinen Skalen schwankt die Sonnenaktivität immer wieder und ist keine Bedrohung für unser Stromnetz. Bei Ausmaßen vergleichbar mit dem Carrington-Ereignis ist im Vorhinein aber schwer absehbar, wie die Folgen aussehen und wie schwer die Schäden ausfallen würden.

Bild: © Roland Boisvert – Own work, CC BY-SA 4.0 via wikimedia commons, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8007406
Quellen:
[1] sonnen-sturm.info, „Sonnenflecken“, url: https://sonnen-sturm.info/lexikon/sonnenflecken [aufgerufen am 06.01.2025]
[2] NASA, „Solar Storms and Flares“, url: https://science.nasa.gov/sun/solar-storms-and-flares/ [aufgerufen am 22.12.2024]
[3] NASA, „Solar Flares FAQs“, https://blogs.nasa.gov/solarcycle25/2022/06/10/solar-flares-faqs/ [22.12.24]
[4] sonnen-sturm.info, „Koronaler Massenauswurf“, url: https://sonnen-sturm.info/lexikon/koronaler-massenauswurf [aufgerufen 22.12.24]
[5] C. Reinboth (2009). Wie gefährlich sind koronale Massenauswürfe? Ein Rückblick auf das Carrington-Event von 1859. scienceblogs.de, url: https://scienceblogs.de/frischer-wind/2009/04/30/wie-gefahrlich-sind-koronale-masseauswurfe-ein-ruckblick-auf-das-carringtonevent-von-1859/
[6] Max-Planck_Institut, „Was ist ein Sonnensturm und wie entsteht er?“, https://www.mps.mpg.de/sonnenstuerme-sonnenaktivitaet-faq/1 [22.12.24]
[7] Tim Howard. Space Weather and Coronal Mass Ejections. New York: Springer; 2014. https://doi.org/10.1007/978-1-4614-7975-8
[8] sonnen-sturm.info, „Sonnensturm“, url: https://sonnen-sturm.info/lexikon/sonnensturm [aufgerufen am 06.01.2025]
[9] Max-Planck-Institut, „Welche Auswirkungen können Sonnenstürme auf der Erde haben?”, url: https://www.mps.mpg.de/sonnenstuerme-sonnenaktivitaet-faq/4 [abgerufen am 23.12.2024]
[10] Eastwood, J.P., Biffis, E., Hapgood, M.A., Green, L., Bisi, M.M., Bentley, R.D., Wicks, R., McKinnell, L.-.-A., Gibbs, M. and Burnett, C. (2017), The Economic Impact of Space Weather: Where Do We Stand?. Risk Analysis, 37: 206-218. https://doi.org/10.1111/risa.12765
[11] Love, J. J., Hayakawa, H., & Cliver, E. W. (2019). Intensity and impact of the New York Railroad superstorm of May 1921. Space Weather, 17, 1281–1292. https://doi.org/10.1029/2019SW002250
[12] National Research Council. Severe Space Weather Events – Understanding Societal and Economic Impacts: A Workshop Report. Washington DC: The National Academies Press; 2008.
[13] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Auswirkungen von Weltraumwetter auf elektrotechnische Infrastruktur“, Drucksache 19/493, url: https://dserver.bundestag.de/btd/19/004/1900493.pdf; 2018
[14] Jonathan O’Callaghan (2022). Gefahr durch solare Superstürme. Spektrum.de. https://www.spektrum.de/news/sonnenstuerme-gefahr-durch-solare-superstuerme/1998637
[15] Max Planck Gesellschaft, „Ein Superflare pro Jahrhundert auf der Sonne“, url: https://www.mpg.de/23853124/superflares-auf-sonne-einmal-pro-jahrhundert [aufgerufen am 08.01.2025]
[16] ESA, “Monitoring Space Weather”, url: https://www.esa.int/Space_Safety/Space_weather/Monitoring_space_weather [abgerufen am 23.12.2024]
[17] Hydro-Québec, “In March 1989, Québec experienced a blackout caused by a solar storm”, url: http://www.hydroquebec.com/learning/notions-de-base/tempete-mars-1989.html [abgerufen am 23.12.2024]
[18] Rajput, V. N., Boteler, D. H., Rana, N., Saiyed, M., Anjana, S., & Shah, M. (2020). Insight into impact of geomagnetically induced currents on power systems: Overview, challenges and mitigation. Electric Power Systems Research, 106927. doi:10.1016/j.epsr.2020.106927

Mio Folger
Mio Folger studiert seit 2023 Physik an der Universität Hamburg und hat im Wintersemester 24/25 das Seminar „Anthropogene Unfälle in der Physik“ gehört.